Samstag, 17. Juni 2017

Tel Aviv: Strand - Bauhaus -Lebensfreude

Der Morgen beginnt gut, harmonisch, Ton in Ton.
Inzwischen haben wir uns daran gewöhnt, dass wir zwar zeitlich von der Gründerzeit ins moderne Tel Aviv gewechselt sind (siehe Vortag), hotelstandardmäßig aber einige Elemente aus zu Ben Gurions Zeit in Sde Boker hier ehalten sind, z.B. die Badewannen. Das ficht uns aber nicht an, denn wir haben andere Prioritäten. Die Stimmung ist bestens, harmonisch, Ton in Ton mit individuellen Varianzen.
Tel Aviv, die weiße Stadt, gegründet 1909, haben einige bereits gestern Abend erkundet, am Strand nach rechts (Norden) zum neuen Hafen, nach links (Süden) Richtung Jaffa oder vom Hotel die Ben Yehuda Straße entlang zum Rothschild Boulevard. Alles in 20 bis 30 Minuten erreichbar. Heute nimmt uns Tati "an der Hand" auf eine gezielte Führung mit, zunächst am Strand entlang Richtung Süden, wo wir an der ehemaligen Diskothek Delphinarium vorbei kommen. Hier kamen 2001 bei einem Terrorselbstmordanschlag der Hamas im Rahmen der zweiten Intifada 21 Personen, darunter 16 Jugendliche vorwiegend russische Immigranten, ums Leben. Dieser Terroranschlag und andere im Rahmen der zweiten Intifada, haben die jüdische und arabische Bevölkerungsgruppe weiter entfremdet und Misstrauen gesäht (siehe Wikipedia). Er gab mit den Anlass zum Bau der Absperrungsanlage zum Westjordanland.
Das Dolphinarium - die Diskothek in der 2001 21 Menschen ums Leben kamen.
Die Fahrradstadt
Wir biegen ab nach Osten und kommen nach Neve Zedek, dem historischen Kern von Tel Aviv. Besonders deutlich wird dort der Einfluss deutscher Juden bei der Gründung. In den Wandgemälden kommen viele deutsche Ausdrücke vor. Auch später, in den 30er Jahren, beeinflussten deutsche Architekten, aus Deutschland vertrieben, mit ihrem Dessauer Bauhausstil das Bild der Stadt, die deshalb heute zum Weltkulturerbe zählt.  Heute ist Neve Zedek ein besonders teures Wohnviertel mit vielen Restaurants und Geschäften. Wer hier neu bauen will, kann dies tun, indem er eines der alten Gebäude aufwändig restauriert. So findet man Historie und Hochhäuser ganz dicht beieinander. Übrigens auch viele Stationen für Leihfahräder. Tel Aviv ist eine Fahrradstadt, seit neuestem (das letzte Mal waren wir 2014 hier) mit E-Bikes, höherer Geschwindigkeit und speziellen Fahrradspuren. Tel Aviv ist aber auch eine Hunde- und Kinderstadt.
Die Hundestadt
Man trifft überdurchschnittlich viele Menschen mit zwei und mehr Hunden. Außerdem haben israelische junge Familien -trotz der Situation- viele Kinder und zwar, je besser gestellt von Einkommen und Bildung her, desto mehr. Während der Woche (heute ist Sabbath) gibt es professionelle Gassi-Geher, die fünf und mehr Hunde ausführen. Das gibt es im arabisch-orientalischen aber auch traditionell jüdischen Raum nicht. Dort ist der Hund ein unreines Tier. Der Hand zum Hund zeigt Verwestlichung, Lebensfreude und einen eigenen Ordungssinn. Im Gegensatz zu Deustchland hat man hier Hunde UND Kinder, meint Tati. Wir sprechen mit einer jungen Familie, die mit Kinderwagen und zwei Hunden auf dem Hundespielplatz (dog park) direkt neben dem Kinderspielplatz sind. Konflikte zwischen Hundespielplatz- und Kinderspielplatzbenutzern scheint es keine zu geben. Unsere Familie wundert sich zunächst über unsere Aufmerksamkeit und so kommen wir ins Gespräch. "Hier ist es prima, endlich können die Hunde mit anderen Hunden spielen. (Es sind ungefährt 10-15 Hunde im eingezäunten, beschatteten Bereich). Wo geht das schon außerhalb der Hundespielplätze (von denen es offenbar viele gibt). Es ist toll, den Hunden zuzuschauen. Sie entwickeln einen besonderen Schutzinstinkt für das Kind." Dasselbige liegt unbekümmert im Kinderwagen, während der Vater den Hund an der Trinkwassersäule tränkt. Ich höre hier schon die hygienischen und anderen (nicht Tel Aviver) Vorbehalte. Und in der Tat ist dies eine -bei uns- ungewöhnliche Mischung.
Die Kinder- und Hundestadt mit Lebensfreude
Wir gehen weiter den Rothschild Boulevard entlang zu dem Gebäude, wo Ben Gurion 1948 die Unabhängigkeit Israels ausgerufen hat, die trotz UN-Beschluss zum ersten Krieg des jungen Staates gegen die arabischen Nachbarn geführt hat. Die Gruppe der Neuen Historiker (Heute bekommen Sie alles im Internet!)in Israel nehmen hier auch die Rolle Israels sehr kritisch unter die Lupe. Dabei geht es auch um die Frage Flucht der arabischen Bevölkerung (auf Anraten arabischer Führer) oder Vertreibung (durch israelische  Truppen). Immerhin sind ca 1 Million Araber nicht geflohen, heute Staatsbürger und stellen ca. 20% der israelischen Bevölkerung dar.
Ort der Unabhängigkeitserklärung
Alt- und Neubestand
Die Shenkinstraße entlang, wo es noch hippere Geschäfte und Restaurants gibt, gehen wir zurück, einige zum Ausruhen ins Hotel andere zum Baden an den Stand oder zur Erkundung des Stadtzentrums um das Diezengoff Center oder den Rabin-Platz, wo dieser 1995 ermordet wurde, herum. Mit dem Besuch des von Frau Elrond-Gross empfohlenen Joseph Bau House Museums hat es dieses Mal  wegen des Sabbath leider nicht geklappt. Frau Elrond-Gross hat im übrigen auch das Museum für Frauenrechte in Dallas, Texas, sehr empfohlen. So wie ich sie kennen gelernt habe, könnte es sich lohnen. Und: "Im Internet kriegen Sie heute alles."

Abends besucht uns die frühere Zeit-Korrespondentin, heute freie Mitarbeiterin verschiedener europäischer Zeitungen und Dozentin an der Hebräischen Universität in Jerusalem, außerdem Autorin von Israel kurzgesfasset und dem Länderbericht erschienen bei der Bundeszentrale für politische Bildung  Gisela Dachs zu einem Gespräch über die Situation in Israel und die Problematik des Israelbildes in Deutschland. Es geht auch um den Besuch des Außenministers Sigmar Gabriel in Israel, die rolle von Donald Trump und, last but not least, um die Hunde- und Geburtenrate, die wir am Vormittag festgestellt hatten. Außerdem stößt eine Volontärin aus Wössingen bei Bretten, die in Holon im Krankenhaus arbeitet sowie mehrere israelische Freunde aus früheren Schulkontakten sowie Aktivitäten des Kultusministeriums zu uns. Es wird ein Abend voller Informationen und Austausch. Mindestens zwei Vortragsabende des Freundeskreises werden angebahnt.

Im Zusammenhang mit dem Gabriel-Besuch verwies Frau Dachs auf einen relevanten FAZ-Artikel, den wir googeln wollten ("Sie finden heute alles im Internet."). Dies könnte er sein:

FAZ-Artikel 1  "Streit mit Netanjahu undiplomatisch;  außerdem ist interessant:

Cicero     "Eklat zu beiderseitigem Vorteil"

FAZ-Artikel 2  Netanjahu sagt Treffen ab

Gisela Dachs zweite von links

Unsere israelischen Gäste die vier Personen rechts von hinten

Weitere Eindrücke des Tages:
Neve Zedek - Ursprung Tel Avivs



Die Bauhausstadt

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