Samstag, 17. Juni 2017

Altneuland - vom Gründermythos ins moderne Tel Aviv


Ein langer Tag mit vielen verschiedenen Eindrücken begann mit der Fahrt von En Gedi nach Sde Boker, dem Wüstenkibbuz in der Negevwüste, in den der Staatsgründer David Ben Gurion sich nach seiner
aktiven Politikerzeit zurückzog. Im sozialistischen Kibbuz befürchtete man allerdings ein Mitglied, das möglicherweise gleicher war als die anderen und man nahm Ben Gurion nur mit einer Stimme Mehrheit als neues Mitglied an. Heute funktionieren nur noch ca. 20 Kibbuzim nach dem Prinzip "Jeder tut was er kann und bekommt was er braucht." Alle übrigen wurden mehr ode weniger privatisiert. Dennoch besteht nach wie vor ein enger Zusammenhalt wie wir am Nachmittag in unserer Partnerregion Sha'arHanegev erfahren sollten. Doch zunächst zu Ben Gurion, der als Anhänger des Yoga kein Problem mit einem Kopfstand hatte und für täglich lange Märsche bekannt war. Er lebte im Kibbuz sehr bescheiden und wurde 87 Jahre alt. In zwei Animationen wurde sein Werdegang von der Geburt als David Grien in Rußland bis zu seinem Tod geschildert. Ein Video zeigte seine Führungsqualitäten in Dilemmasituationen, so bei mutigen militärischen Entscheidungen im Krieg nach der Staatsgründung 1948 oder bei der Frage nach der Aushandlung der Reparationen mit Deutschland. Die Gedenkstätte war auch gut von jungen Soldatinnen und ihren Ausbildern besucht. Natürlich hat der Autodidakt Ben Gurion für sie eine Vorbildfunktion auch wenn die Jugend heute eher nicht im Kubuz leben möchte.
Ben Gurion beim Kopfstand
Das Schlafzimmer Ben Gurions
Auf dem Weg durch die Wüste kommen wir auch an der Stadt Dimona vorbei, wo der einzige Kernreaktor Israels steht. Israel verfügt inoffiziell über Atomwaffen, die durch eine Zweitschlagmöglichkeit über eine erhebliche Abschreckungskraft verfügen, andererseits aber auch ein Anreiz für andere Staaten der Region sein können, selbst Atomwaffen zu erwerben. Existentielle Fragen, auf die es keine einfachen Lösungen gibt.

Weiteren existentiellen Fragen begegnen wir am Nachmittag in unserer Partnerregion Sha'arHanegev, wo wir vom stellvertretenden Landrat, Odet Plut und Jael sehr freundlich empfangen werden. Nach der Führung durch eine rehabilitationszentrum sowie das Sapir College mit Schule und Fachhochschule und 8000 Studierenden, begleitet uns Jael zum Kibbuz Nahal Oz. Sha'arHanegev besteht aus 10 Kibbuzim und einem Moshav (Kibbuz mit Einzeleigentümern) mit ca. 8000 Einwohnern. Nahal Oz liegt mit ca. 400 Einwohnern in 800 m Entfernung vom Gazastreifen. Die dortigen Häuser sind vom Kibbuzzaun erkennbar. Nahal Oz produziert Weizen, Gemüse, Avocados und hat eine Kuh- und Hühnerfarm.Viele Bewohner abeiten aber auch als Lehrer im College oder in Tel Aviv oder BeerSheva im dortigen Silicon Valley in der High Tech Industrie. Nun stößt Tami Halevi zur jugendlichen Jael und nach einer Besichtigungstour am Kibuzzaun begeben wir uns in einen Bunker, wo die beiden Frauen die Geschichte ihrer Generation erzählen. Jael
Tami in der Mitte
schildert die Lage wärend des gaza-Krieges Protective Edge im Jahre 2014, der drei Wochen andauerte. Während dieser drei Wochen lebte sie mit ihren drei Kindern bei der Schwester in der Nähe von Tel Aviv. Als man fälschlicherweise glaubte, der Krieg sei zu Ende kamen einige Familien zurück, aber die Rakenabgriffe gingen weiter und ein vierjähriger Junge kam um. Das hat alle Bewohner sehr schockiert. Und das Kibbuz verlor 14 Familien und 100 Beweohner, etwa ein Viertel der früheren Einwohnerschaft. Jael und die Kinder mussten sich in therapeutische Behandlung begeben.. Man ist sich durchaus bewusst, dass es den Menschen auf der anderen seite der Grenze genauso geht. Auch dort leben Familien mit Kindern, mit denen man in den 70er und 80er Jahren gut zusammengearbeitet hat. Viele kamen als Feld- und Bauarbeiter und verdienten ihr Geld in Israel. Auch das Land auf dem die Kibbuzim liegen war nie umstritten. Es sind keine Siedlungen. Durch die Radikalisierung im Gazastreifen und die Machtübernahme der Hamas sind die Menschen auf der anderen Seite selbst einem terroristischen Regime ausgeliefert, das sie benutzt und opfert. So schießt die Hamas Raketen niemals von eigenem Gelände ab, sondern benutzt dafür Privathäuser, deren Bewohner sich nicht wehren können. Gemeinsame Programme für Kinder werden von Hamas nicht zugelassen.
Odet Plut (rechts) begrüßt die Gäste aus Karlsruhe
 
Während Jael mit ihrer Familie das Kibuz verlies, wollte die alte Generation  wie Tami nicht weg und blieb. Tami kam mit ihren Eltern im Alter von vier jahren nach Israel. Ihre Vorfahren stammen auch aus Bruchsal. Sie selbst kam als Soldatin nach Nahal Oz und blieb. Sie arbeitete viele Jahre als Lehrerin im College und kümmert sich jetzt ehrenamltlich um die Altenarbeit. Sie schildert wie die unterschiedliche Verhaltensweise während des Gazakrieges einen Riss in die Gemeisnchaft brachte, der nur langsam heilt. Außerdem droht das Kibbuz zu überaltern, sodass man auf verschiedenen Wegen versucht junge Menschen zu gewinnen. Man bietet die beste Ausbildung mit besonderen Bedingungen und es gibt ein Programm für einen Freiwilligendienst vor der Armee. Jael möchte uns sagen, dass sie nicht aufgibt und trotz allem optimistisch bleibt. Sie selbst ist im Kibbuz geboren und nach dem Studium hierher zurück gekehrt. Für Jael wird es jetzt Zeit, sich und die Familie für den Sabbat vorzubereiten. Man ist sozialistisch-säkular und so geht es ins Schwimmbad. Tami zeigt und noch die Bunkerunterstände, die über das gesamte Kibbuz  verteilt sind. Während man im wenige Kilometer entfernten Sapir College in Sederot bei Alarm 15 Sekunden hat, um sich in einem Bunker in Sicherheit zu bringen, sind es in Nahal Oz noch weniger. Ein Ballon überwacht ständig die Häuser auf der Gazaseite. Wir wünschen uns Shabat Shalom und fahren weiter über Jaffa nach Tel Aviv.
Nahal Oz, 800 m vom Gazastreifen

Blick auf Gaza- Früher fanden die Bewohner auf den Feldern Arbeit

Gespräch mit Jael und Tami in den Bunkerräumen

vrnl Jael, Tami, Herr und Frau Schmitt aus Bruchsal bei der Geschenkübergabe
Zum Abendessen kommt Frau Elrond-Gross auf Einladung von Inge Schmidt aus Heidelsheim zu uns. Frau Elrond-Gross wurde in Karlsruhe geboren und ihr Vater, der Zionist war, nahm den Erfolg Hitlers bei den Reichstagswahlen 1933 zum Anlass nach Palästina auszuwandern. Sie klagt nicht, sondern schildert, welche Möglichkeiten er hatte beim Aufbau des landes mitzuwirken. Selbstverständlich bewegt sich Frau Elrond-Gross mit 89 Jahren noch im Internet. Sie sit optimistin und Mitglied bei den Soropimisten, einer Frauengruppe ähnlich den Rotariern. Solange sie noch konnte besuchte sie regelmäßig Deutschland. Sie brachte uns zei Bücher aus der Biblithek der eltern mit, in denen die Korrespondenz des badischen Großherzogs mit theodor Herzl dokumentiert ist und lädt und zu einem Museumsbesuch für den nächsten Tag ein: Joseph Bau Haus. Sie wird veranlassen, dass das Museum speziell für uns geöffnet wird.. Eine Begegnung der ganz besonderen Art.
Frau Elrond-Groß (rechts) und Frau Schmidt

Übergabe der Bücher mit dem Schriftverkehr

Der Abend klingt aus mit einem Spaziergang am Strand durch das Tel Aviver Nachtleben am Sabbathbeginn.
 
Vor der Skyline Tel Avivs

Tel Aviv vom Deborah Hotel



Nachtleben am Strand


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen