Dienstag, 13. Juni 2017

Kulam po? Alle da?

Das wachsame Auge der Reiseleiterin, mal in blau, mal in rosa. Heute in rosa.
Alle da? So heißt es vor der Abfahrt auf den Golan nach reichhaltigem und koscherem Frühstück. Und alle waren da als es zunächst zum Berg der Seligpreisungen mit einem herrlichen Seepanorama geht. Dann verabschieden
Tora-Schrein
wir uns vom See und fahren zum höchsten Punkt Israels nach Zfat (oder Safet), der Stadt der Mystiker. Zur Mystik zählt die Kaballa genauso wie die Klezmer-Musik und irgendwie auch die Kunst, die heute in Zfat ansässig ist. Die ersten Bewohner waren sfardische Zuwanderer, die nach der Eroberung Spaniens 1492 (Rekonquista) hierher vertrieben wurden. Wir besichtigen eine sfardische Synagoge und informieren uns über die Rituale jüdischer Gottesdienste. Auf der Straße werden wir von einem "Ultraorthodoxen" oder
Begegnung mit einem Freiburger Juden in Safed
"nur" Orthodoxen sehr freundlich angesprochen. Er habe uns Deutsch sprechen hören und woher wir denn kämen. Er selbst sei deutscher Jude und käme aus Freiburg. Eine solche Begegnung überrascht und kann auch eigene Vorbehalte aufzeigen.



Blick nach Syrien
 Weiter geht es durch das Hula-Tal auf das Basalt-Massiv des Golan, dessen Weststreifen im 6-Tage-Krieg vor 50 Jahren von Israel erobert und später aus Sicherheitsgründen annektiert wurde. Bevor wir vom Beobachtungsposten des Ben Tal nach Syrien schauen, essen wir in einem Drusendorf gesund und sehr schmackhaft zu Mittag. Die Drusen sind Araber und eine Religionsgemeinschaft, die sich aus dem Islam entwickelte. Sie zeigen eine besondere Loyalität gegenüber den Regierungen der Länder, in denen sie leben. Israelische Drusen dienen beispielsweise in der israelischen Armee und steigen bis in höchste Positionen auf. Die syrischen Drusen haben andererseits nach der Annexion durch Israel nur zu etwa 20% die israelische Staatsbürgerschaft angenommen. Sie schätzen sehr, dass der syrische Machthaber Assad neben anderen Minderheiten auch die ihre schützt. Deshalb unterstützen sie auch nicht durchgängig Israels Politik, Verwundeten aus dem Bürgerkrieg in einem mobilen Feldlazarett direkt an der Grenze zu helfen, wenn diese syrische Rebellen sind. Die schwierige Situation der Drusen humorvoll dargestellt findet sich in dem Film "Die Syrische Braut".

Australischer UN-Soldat im Gespräch mit jüdischen Jugendlichen aus Australien
Auf dem Ausblickspunkt nach Syrien ist es heute ruhig. Der UN-Soldat aus Australien schildert aber, dass letzte Woche heftig gekäpft wurde. Das Gebiet unterhalb der Grenze ist in Rebellenhand und immer wieder versuchen Regierungseinheiten Assads Geländegewinne zu machen. Der UN-Soldat ist besonders auskunftsfreudig, weil eine Gruppe australischer jüdischer Jugendlicher da sind, die mit der Organisation Taglit (Birthright) "ihr" Land Israel besuchen. Auch hier wieder ein Punkt, der sich trefflich diskutieren lässt, nämlich inwiefern ist Australien oder Israel das Land dieser Jugendlichen.

Tati führt uns in die komplexe Lage des Bürgerkriegs in Syrien ein, der sich aus einfachen Protesten der Bevölkerung während des Arabischen Frühlings 2011 gegen harsche Maßnahmen der Assad-Regierung entwickelt hat. Heute kämpfen unzählige Gruppen von außen und benutzen Syrien und seine Bevölkerung als Arena zum Kräftemessen. Auch hier stellt sich die Frage, ob eingegriffen werden soll, Gruppen (auch mit Waffen) unterstützt werden sollen, oder eine Schutzzone für die Bevölkerung eingerichtet werden muss. Libanon, Jordanien und die Türkei nahmen Millionen von Flüchtlingen auf. Israel befindet sich formal im Kriegszustand mit Syrien und hat beschlossen, bis auf die genannte humanitäre Hilfe keine Flüchtlinge ins Land zu lassen. Man fürchtet die Wirkung der anti-israelischen Hasspropaganda, der diese Menschen in ihrem Land und Bildungssystem ausgesetzt waren. Ein Problem vor dem man auch in Deustchland die Augen nicht verschließen kann. Dies wurde uns auf dem Rückweg nach Tiberias klar. Per WLAN erhielten wir die Nachricht, dass Bild die ARTE-Dokumentation über Antisemitismus in Europa ("Auserwählt und ausgegrenzt - Der Hass auf Juden in Europa") online gestellt hat, trotz Urheberrechtsbedenken. Auch hier ein trefflicher Punkt für eine aufrichtige Auseinandersetzung.

http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/28787

http://www.tagesspiegel.de/medien/legal-oder-illegal-bild-de-zeigt-antisemitismus-doku/19926154.html







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